Kein Schillerjahr

1 Geburtstage




Geburtstag 1945






Geburtstag 1999


 Jeden Tag Geburtstag






2 Der Leib

. . . und schimmert an den Lüftungsklappen auf dem Gasbehälter. Gold. Waldbekrönte Rebenhänge formen um den Stadtteil einen Schoß, durch den der Neckar dringt. Begradigt strömt der Fluß, hier breitet sich die Stadt gen Ost und mittendrin der Große Gasbehälter. Den haben sie frisch gestrichen. Graublau überragt er ziegelbraune Dächer, dahinter gleißt die Daimler-Benz-Arena, blinkt rund das Benz-Museum. Neckarglitzer, Glas und Hafenkräne, Müllkraftwerk und die Moschee von Milli Görüs. Das Volksfest-Riesenrad. Drüben raucht es aus den Gärten, hüben schmiegen sich die Stadtbahngleise wie ein Bruchband um den Bauch der Kolonie. Der Duft von frischem Zwetschgenkuchen strömt um die Linden bei der Treppe hoch zum Schorsch, unter welchem Namen man den Griechenwirt der vormaligen Straßenbahnergenossenschaftssiedlungsgaststätte mit Saal und Kegelbahnen in der Landeshauptstadt liebt. Hier traf ich den Bezirksvorsteher, der mich darüber informierte, bis wann ich den Antrag auf die Unterstützung meiner stadtbezirksbezogenen Aktion zum Auschwitzgedenktag am Schillerdenkmal in der Innenstadt zu stellen hätte. Jedenfalls würde ich mein Vorhaben noch vor der Bewilligung durch den Finanzausschuß beim Amt für Öffentliche Ordnung melden, dachte ich mir beim Anblick des Krautwickelpokals der noch immer auf der Zapfanlage stand.
Im Anfang also ein Leib, als dessen Bauch und Glieder der Gasbehälter und die Friedenau so stehen mögen wie sein Herz für Schiller schlägt, der in einem Brief auch von den Ketten schrieb, die man noch in anderen Welttheilen den Negern abnehmen und in Europa den - Geistern anlegen würde. Und daß man wohl damit anfangen müsse,  für die Verfassung Bürger zu erschaffen, ehe man den Bürgern eine Verfassung geben könne. Ob er wohl ahnte, was sich aus den Greueln der Französischen Revolution, die ihn bei diesem Brief bewegten, bis hin zum Holokaust noch entwickeln würde? Das Holokaust. Das sei der Geist, der unserem Leib noch fehlte.

3 Schöpfen macht frei





Das beim Hinweis oben genannte "verwaltende Amt" war das Kulturamt, wohingegen mir 1999 vom Amt für Öffentliche Ordnung erlaubt worden war, bei der Gratulation zu Schillers 240. Geburtstag den Denkmalsockel sowohl mit Wasser und Öl zu behandeln, als auch mit einer Girlande zu behängen.

Mit unterthänigstem Hautschauern: Als Zeichen meines Gehorsams gegenüber dem Kulturamt schöpfte ich im Neckarwasser gegenüber dem Kilometer 184. Das sollte mit Straßenschmutz, Kartoffelmehl und Denkmalssockelstaub zu einem Brei vermischt, und der als Judenstern am Denkmalssockel aufgetragen werden.

Und als "Windel" sollte ein bedrucktes Banner dienen, als wärmende Geste zu Füßen des Dichters, den manche Juden so verehrten, daß sie ihren Namen gegen seinen tauschten, um dann am Ende doch nur aus Kaminen fettrückführungsoptimierter Öfen gen das Elysium zu rauchen.

4 Die Handlung



Was sie sehen, finden Sie hier



5 Der Begriff




Grundnahrungsmittel Wissen



Brandopferaltar, der für das Brandopfer (s.d.) bestimmte Altar in der Stiftshütte und im salomonischen Tempel. Er war mit kupfernen Platten überzogen, mit hörnerartigen Ecken versehen und barg ein stetes Feuer. Da er als hochheilig galt, durften ihn nur Priester berühren. Doch fanden, mit Ausnahme der Mörder, auch Verfolgte Schonung, sobald es ihnen gelang, die Hörner des Altars zu erfassen.



Brandopfer (Ganzopfer), die übliche Bezeichnung für das hebr. olah (griech. holokauston), die ursprünglichste Form der Opfer, das die Anbetung in Dank und Fürbitte symbolisierte und täglich morgens und abends und bei den Festen, aber auch von den einzelnen allein oder in Verbindung mit anderen Opfern im altisraelitischen Kultus dargebracht wurde. Das Opfertier (ein männliches Tier von Rind- oder Kleinvieh, bei Unbemittelten als Ersatz Tauben) wurde geschlachtet, enthäutet, gereinigt und ganz oder zerlegt auf dem Brandopferungsaltar (s.d.) verbrannt. 

Entsprechend also zu hebräisch "olah", das Opfer, bedeutet das hebräische "shoah" jenes plötzliche Entsetzen, welches den Isaak erfüllte, als er begriff, daß sein Vater Abraham bereit war, ihn zum "olah" zu bringen, zum holokauston, zum lateinischen holokaustum, in deutsch zum Holokaust. Abraham war bereit, sein Liebstes der Gottheit zu opfern. 



Im Amerikanischen heißt Massenmord wholesale murder, Massenvernichtung annihilation. Beide Bezeichnungen waren einem jungen Regisseur zu gewöhnlich, der bis zu seiner Seifenoper über die Judenvernichtung 1978  mit drittklassigen Produktionen hervorgetreten war, zu gewöhnlich. Holocaust klang da schon interessanter, irgendwie gebildet und verhieß daher - bei diesem Thema - ein distinguiertes Gruseln. In Deutschland wurde die Serie mit demselben Titel in amerikanischer Schreibung ausgestrahlt. Und weil dieser Begriff hier außerhalb religionswissenschaftlicher Kreise so wenig bekannt gewesen war wie in den USA  und wegen der nasal dem Amerikanischen abgekupferten Aussprache Holocoashd hier noch distinguierter geklungen hatte als dort, setzte er sich durch. Und bekam gegen seine Grammatik auch gleich einen männlichen Artikel versetzt - es heißt ja schließlich auch der Massenmord. Seitdem blieb der Begriff so exklusiv auf die Judenvernichtung beschränkt, daß man sich bei seinem Gebrauch für andere Opfervorgänge zwar nicht um Kopf und Kragen, aber um Beruf und Ehre bringen kann. Verschiedene Versuche, den jüdischen Begriff Shoah einzuführen, wurden als für das "Tätervolk" unziemliche erstickt. Man scheint in den amerikanisch gebrauchten Begriff geradezu verliebt zu sein, so daß er auch schon mal als Etikett für den "Gründungsmythos" der Republik herhalten mußte.

Ich meine, wenn man schon auf den Begriff nicht verzichten will, dann sollte man ihn auch richtig gebrauchen, mithin auch so verstehen. Das wären dann deine Kartoffeln!

Das Holokaust, der Holocaust: Das Geschlechtswort "der, die, das", ein kleines Wörtchen für die Grammatik und ein großes für die Deutschen, die Begriffsberichtigung erscheint so heikel wie die erste Landung auf dem Mond. Das Holokaust, der Holocaust, der Holocoashd. Ein wenig wie verschnupft dies Holocoashd im Nebel klingt, wenn herbstens sie beim Alten Schloß zu Stuttgart wieder mahnen, nicht weit vom Schillerdenkmal: Verfemt / Verstoßen / Gemartert / Erschlagen / Erhängt / Vergast / Millionen  Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft / beschwören dich / Niemals wieder. So die Worte von Ernst Bloch auf einer Tafel des Mahnmals. Und auch wer meinen sollte, daß dieses Niemals wieder wirklich nötig sei, mag nun zum Schloß sich wenden, wo man den Schwur von Stauffenbergs und seiner Freunde lesen kann: Wir bekennen uns im Geist und in der Tat zu den großen Überlieferungen unseres Volkes, das durch die Verschmelzung hellenischer und christlicher Ursprünge in germanischem Wesen das abendländische Menschentum schuf. So so gut, nur daß hier etwas fehlt: Die jüdischen Ursprünge nämlich mit ihren großen Steigerungen, die Goebbels dazu animierten, besonders jene Goethezeit als jüdisch geprägt zu verhöhnen, zu welcher Schiller deutsches Wesen so beschrieben hatte: Das ist nicht des Deutschen Größe / Obzusiegen mit dem Schwert, / In das Geisterreich zu dringen / Vorurteile zu besiegen, / das ist s. (eines) Eifers wert. Wie haben Juden diesen Geist nur geliebt, der ihnen Deutschtum als Beruf verhieß, das schönste / was bei allen Völkern blüht, in einem Kranze zu vereinen. Diese Liebe ging so weit, daß manche ihren eigenen Namen gegen den von Schiller tauschten. Geschrieben hatte der die Zeilen 1802, für Goebbels waren sie das Stammeln eines Volkes von Träumern und Phantasten, als welche seiner Ansicht nach die Deutschen jener Zeit dahinlebten. Was später ein berühmter Bundespräsident in seiner Antrittsrede auch nicht sehr viel anders sah: Wir sind kein Volk verwirrter Gefühle oder romantischer Grübeleien. Und zu den Grüblern wohl auch Schelling zählte, mit dem sich Schillers Zeilen über Deutsche Größe neu so lesen ließen, daß bei den Völern hier im Land das Bild vom schönen Kranz die Güte einer durch Irrtum gesteigerten Wahrheit erworben haben würde, die also die Gefahr ihres Gegenteils schon bestanden hat. Diesen Kranz mit uns zu flechten, sind die Völker bereits da, so daß sich Goethes Rat erübrigte, die Deutschen wie die Juden, in alle Welt zu zerstreuen, weil sie nur auswärts (. . .) noch erträglich seien.

Rhinitis chronica, die Landung auf dem Mond: Der Holocoashd, der Holocaust, das Holokaust, das holokaustum, das  holokauston, das olah. Der religionsgeschichtliche Fachbegriff "das Holokaust" wurde durch den Erfolg der amerikanischen Fernsehserie "Holocaust" in Deutschland allgemein und plötzlich als "der Holocaust" bekannt. 1986 geriet das Wort ins Zentrum einer Auseinandersetzung um die Einzigartigkeit der Tat, welche sich bei richtigem Verstand von Holokaust als Opfer aus sich selbst erwiesen hätte: Wer also oder was war wem von wem geopfert worden? Und als die NATO dann auch Belgrad bombardierte, wurde das bei uns hier mit dem Verweis den Holocoashd gerechtfertigt, dessen "Wiederholung" es zu verhindern gelte. Auch wenn sich damit die Debatte um die Einzigartigkeit erledigt haben müßte - wie sollte ein Einzigartiges nur wiederholen - schwelt sie bis heute fort. Wie Glocken dröhnte das Wort vom Zivilisationsbruch durchs Land der lyotardisch verklöppelten Spitzentücher, mit denen man sich Perlen von Stirnen tupfte, akademisch ausgeschwitzte Kondensate des Grübelns über die Schwierigkeiten, eines historisch verbürgten Geschehens zu gedenken, für das man zuvor die die blackbox eines außerhistorischen Vakuums ersonnen hatte, um so die Singularität der Tat (auch) als einer undarstellbaren zu bestimmen. Posaunen kündeten von der düsteren Pracht eines nur im Land der Dichter und Denker möglichen, absolut Bösen, das in den Guten Stuben wie das bucklicht Männlein mit am Tisch zu sitzen habe. Doch schwitzte man sich nicht an der so naheliegenden Frage ab, was denn dann nur ein relatives Böses sei, sondern an dem selbsterzeugten Dilemma, wie man ein Geschehen, um seiner zu gedenken, dem besagten Vakuum entziehen, und es zugleich darin belassen könne, damit es dort auch weiterhin die Einzigartigkeit begründe.

Die Endlösung der Judenfrage (. . .) durchgehalten zu haben und dabei (. . .) anständig geblieben zu sein (. . .) ist ein niemals genanntes und niemals zu nennendes Ruhmesblatt. So Himmler 1943 in Posen. Wir haben den Kranz zerfetzt und unser Judentum dem Gott der Selbstvergötzung zum Holokaust gebracht, zum Opfer nämlich die einzigartige Verschmelzung Judentums mit Deutschtum, wie sie laut Gershom Sholem ihrer Intensität und ihrem Umfang nach keine Parallele in den Begegnungen der Juden mit anderen europäischen Völkern (hatte). Auch Schillers Name steht dafür, samt den besagten Namenswechseln. Ein Meer von Herzblut zugekippt, das schönste / was bei allen Völkern blüht erstickt. Wir müssen mit Himmler sagen, daß wir diese schwerste Aufgabe in Liebe zu unserem Volk getan und (daß) wir keinen Schaden in unserem Innern, in unserer Seele, in unserem Charakter daran genommen (haben). Auch wenn es sich verbieten mag, auch von unserem Schaden zu sprechen, so haben wir ihn doch genommen. Fünfzig Jahre nach der himmlerischen Schadensfreiheitsmeldung stellte Heiner Müller fest: Jetzt ist der Ideenhimmel verbraucht. Deutschland ist ein Markt unter vielen geworden, der weder Hintergründe noch metaphysische Reserven besitzt. Deutschland ist ortlos. Doch gilt nicht auch zugleich das Gegenteil? Ist sich (denn nicht) das Entgegengesetzte gerade das Nächste, wie es der mit seiner durch Irrtum gesteigerten Wahrheit bereits erwähnte Schelling in einem anderen Zusammenhange schreibt, der durchaus zugleich derselbe ist? Die überfüllte Leere ortlosen Lärms sei genauso auch der Ort einer anfänglichen Stille, die also die Gefahr ihres Gegenteils schon bestanden hat. Der Kranz des schönste(n) / was bei allen Völkern blüht ist als das Holokaust durch seine Schubumkehr gegangen, daher auch dieses Niemals wieder auf der Mahnmalstafel eher doch entbehrlich scheint. Es geht um die Besinnung auf das, was als das schönste / was bei allen Völkern blüht das Holokaust ist. Das sind deine Kartoffeln! Nicht frivoles Multi-Kulti, auch nicht allein Verfassungstreue ist gefragt, sondern jener Kranz des schönste(n) / was bei allen Völkern blüht als deutsche Leitkultur. Und nicht nur jüdisch müßte Schiller wieder sein, sondern auch muslimisch werden. Das Land steht ihnen offen, es den Juden gleichzutun und geistig hier so fruchtbar zu werden, wie es die Juden waren. Das Stelenfeld von Eisenman nicht nur als Hüpfburg für Giaure, Kultur nicht nur als Hip-Hop zu verstehen, das darf man wohl inzwischen auch bei ihrer im Vergleich zu jenen Juden ja so großen Überzahl erwarten. Wo bleibt ein neuer Mendelssohn als Moses deutscher Türkenfedern, ein Wiedergänger Ibn Rushds, der heute eben nicht, wie einst, den Weg zu Aristoteles,  sondern den zu Schiller neu bereitet, um sich so selbst und seinesgleichen mittels ästhetischer Kultur (. . .) als einer Reinigung der Gefühle (. . .) für (. . .) diesen herrlichen Bau (. . .) politische(r) und bürgerliche(r) Freiheit zu erschaffen? Wer spürt denn diesen Traum als zarteste Empfindung nicht? Doch diese wird nur ein desto leichterer  Raub der Schwärmerei, wenn ein heller Verstand sie nicht leitet. Der führt zur Berichtigung der Begriffe, zu denen auch das Holokaust gehört.


6 Deine Kartoffeln!


Deine Angelegenheit, dein Bier, deine Kartoffeln, dein Kartoffelmehl, vermischt mit Straßenschmutz und  Schillerdenkmalsstaub, aufgelöst in Neckarwasser, daß es einen Brei ergibt, zum Judenstern verschmiert am Schillerdenkmalssockel.





Deine Angelegenheit, dein Bier, deine Kartoffeln, dein Kartoffelmehl,
 vermischt mit Straßenschmutz und Schillerdenkmalsstaub, aufgelöst in Neckarwasser, daß es einen Brei ergibt, zum Judenstern verschmiert am Schillerdenkmalssockel.


Übersicht der Bezeichnungen für das Kartoffelernten, frei nach Heinrich Schlemmer:

Nach dem Ernten als allgemeinem Begriff: (Kartoffeln) arn, arnen,austen, bergen, einarbeiten, einbringen, einheimsen, einholen, einräumen, einschaften, eintun, ern, ernten, fechsen, gewinnen, heimbringen, heimschaften, heimtun, herbsten, in die Kartoffelernte gehen, in der Kartoffelernte sein

Nach der Frucht: (Kartoffeln) bindeln, bulwen, erdäpfeln, grombieren, gummeln, schacken, tüffeln

Nach dem Ort der Aufbewahrung: (Kartoffeln) einkellern, einscheuern

Als Sammeln: (Kartoffeln) gaddern, klauben, klauen, kleien, lesen, räffen, scheffeln, stoppeln, suchen

Als Aus-der-Erde-holen: (Kartoffeln) aufkriegen, aufnehmen, ausackern, (r)aushacken, (r)aushauen, ausklauen, auskleien, auskriegen, ausmachen, ausnehmen, auspflügen, (r)ausstechen, austun, bauen, buddeln, dalben, döbbeln, forken, grabben, graben, grabern, grubben, hacken, haspeln, holen, karsten, krabbeln, krabben, kratzen, langen, pöllen, puken, pulen, purren, racken, rausholen, rauslangen, rausmachen, raustun, roden, rodern, rüden, rutken, scharren, stechen, trecken









7 Marbach

und hier folgt mein Beitrag:

















Die Abschrift:

04.01.08

Die Nachricht vom Erscheinen dieses Blindbands erfreute mich sehr, seitdem ich seit dem Juli 2007 schon mit "Mein Schillerjahr" beschäftigt (war) bin, "oder das, was das Holokaust ist". (Jetzt) Ich werde einen Weg von (der) meiner Tasse zu seines Vaters kleben. Der Wendepunkt wird eine Quitte sein. Das paßt auch gut "Schillerin" der nächsten Seiten, so daß wie hier ein vollständiges Geburtstagsbuch haben: Vater, Mutter, Friederich . . .

10.01.09

Von "Vater, Mutter und Friederich" wäre nun also die Mutter schon mal da. Vor allem fehlen noch "Ich selbst (Schiller-Unterschrift als Bild dazwischen) und"
Dieser Schiller beginnt in Gestalt der Unterschrift auf meiner Tasse, und soll, wie schon gesagt, "zu den Äpfeln" führen, zu denen seines Vaters, also nicht "zu den Müttern" . . . Ebenfalls schon gesagt hatte ich, daß mich die Nachricht von diesem Marbacher Vorhaben inmitten meiner eigenen "Geburtstagsvorbereitungen" getroffen hatte. Daß ich dabei nicht erst seit 2007 meinen Tee aus derselben Tasse getrunken hatte, zeigt ihr Bild. Und im Zusammenhang mit der Unterlage der Tasse war es auch zu einer Koinzidenz mit Christoph König gekommen, den ich schon lange aus seinen Marbacher Zeiten her kannte, und der mir soeben seinen Vortrag über Schillers Gedicht "Der Spaziergang" geschickt hatte. Bei unserem e-mail-Verkehr erkannten wir, daß er (er lebte damals schon in Stuttgart) bei der Arbeit an seinem "Spaziergang" denselben Fenster-Lese-Stehplatz in der Württembergischen Landesbibliothek wegen eines bestimmten Briefes aus der Nationalausgabe benutzt hatte, wie ich jüngst einen anderen Briefband derselben Ausgabe für eben "meine Geburtstagsvorbereitungen" in Gestalt eines Textes mit dem Titel "Mein Schillerjahr oder das, was Holokaust ist". Zur Arbeit an diesem Text gehört auch die Befassung mit einem Brief an den Prinzen von Augustenburg vom 13. Juli 1793. Und zwar nicht nur am Fenster-Lese-Stehplatz, von dem aus man auf die Rückseite des Neuen Schlosses blicken kann, wo sich die Hohe Karls-Schule befunden hatte - - - sondern auch zu Hause beim Tee, dessen Tasse ich nur einmal vor ihrem ersten Gebrauch vor ca. 10 Jahren gereinigt hatte.

12.01.08

Damals hatte ich die Tasse als Abschiedsgeschenk von einer Kollegin jener Buchhandlung erhalten, aus welcher ich wegen der Arbeit für mein Volksbegehren gegen die Rechtschreibreform geworfen worden war. Für das, was man von solchen Leuten halten kann, gilt das im - (O du mein Fenster-Lese-Stehplatz) - Brief vom 4. Oktober 1793 an Körner im Anfang des zweiten Absatzes über alte (Ludwigsburger) "Bekannte" Geschriebene. So konnte ich nun wenigstens ganzwöchentlich statt wie bis dahin halbwöchentlich meiner Arbeit nachgehen, mit der ich nach meiner letzten Buchveröffentlichung 1988 begonnen hatte. Es ging

16.01.08

darin immer um das Leben um den Gaisburger Gaskessel (v. Stgt.) vor dem Hintergrund der Nachwirkungen der Hitlerzeit, die ich aus Gesichtspunkten betrachte, welche sich aus (einer zu) meiner Lektüre (den) besonders des späten Schellings und des philosophischen Schillers gewonnen hatte. Es entstanden bis 2003 vier abgeschlossene Typoskripte. Während der Entstehung des Letzten klebte ich die handschriftlichen Vorarbeiten synchron zu einem Leporello, das auseinandergefaltet länger wäre als der Gaskessel hoch ist. Alle vier Typoskripte sind unveröffentlicht. Ab 2003 arbeitete ich auch mit dem Computer. Es zogen viele Ernten durch das Land, von deren einer ich mir eine Quitte bewahrte, in der mir meine schöpferischen Kräfte wie symbolische eingewintert erschienen, weil ich aus (den) dem Scheitern meines Gesamtvorhabens, als das ich (mit auch) die verlegerische Zurückweisung auch der vierten Fassung erlebte. Mit jedem neuen, dann doch wieder aufgegebenen Versuch, den Stoff erneut zu fassen, trocknete die Quitte weiter ein, bis es mir im Sommer 2007 deutlich geworden war, meine abschließende Gestaltung des Stoffes unter dem Vorzeichen des für 2009 anstehenden Schillergeburtstages beginnen zu sollen. Und genauso, wie beim ersten Text "Gaskessel mit Buchenallee" mit seinem Schellingschwerpunkt eine Aktion in Gestalt der Inszenierung eines Teils eines Chorlieds der "Antigone" des Sophokles gestanden hatte, wird nun bei diesem fünften Text mit seinem Schillerschwerpunkt eine (Ge)Denk-Aktion zum Tag der Befreiung von Auschwitz am Schillerdenkmal den Anfang des Textes bilden.

05.02.08

Sie stand auch für das Beispiel einer in dem schon erwähnten Schillerbrief an den Prinzen von Augustenburg zusamnengefassten, ästhetischen Reaktion auf de Exzesse der Französischen Revolution als Ausdruck einer schmelzenden Schönheit, die er in seiner Schrift Über das Erhabene dem dort entwickelten Begriff der energischen Schönheit gegenüberstellt. Entfaltet wird das in der Entwicklung der Aktion, wie sie mit dem von Zuwanderung und Nationalsozialismusfolgenbewältigung geprägten Leben (um den Gaskessel) verflochten ist. (Bildunterschrift) "Stuttgarter Wochenblatt" 31.01.08

Der Fenster-Lese-Stehplatz in der Württembergischen Landesbibliothek: Die Nationalausgabe war die Ursache (in) der Koinzidenz in der Benutzung des Fenster-Lesestehplatzes mit Christoph König.

08.02.08

Und während die Tasse wie die Quitte sichtbar in die Jahre gekommen waren, entfaltete sich auch meine erneute Befassung mit dem Stoff und ihrem Schillerschwerpunkt. So kam ich auch auf die Bilder in der Baumzucht im Großen des Vaters unseres Geburtstagskindes, das sich bekanntlich am Duft hinübergegangener Äpfel erlabte. Eingelebt haben dürfte sich diese Neigung gewiß schon während der Jahre zwischen dem Gebrauch des Schnullers und der Schleuder, wohingegen wir das Schnuppern an solchenen in der Schublade verborgenen Äpfeln besonders aus den Jahren kennen, in welchen ihm der Gebrauch seines Schreibzeugs schon längst zur Waffe geworden war. (Das einzige Verhältniß gegen das Publicum, das einen nicht reuen kann, ist der Krieg, an Goethe(n) 25. Juni 1799). Vater, Mutter, Friederich, das Rezept der "Schillerin". Womit ich das nun wie angekündigt "vollständig" gewordene "Geburtstagsbuch" schließe.