5 Der Begriff




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Brandopferaltar, der für das Brandopfer (s.d.) bestimmte Altar in der Stiftshütte und im salomonischen Tempel. Er war mit kupfernen Platten überzogen, mit hörnerartigen Ecken versehen und barg ein stetes Feuer. Da er als hochheilig galt, durften ihn nur Priester berühren. Doch fanden, mit Ausnahme der Mörder, auch Verfolgte Schonung, sobald es ihnen gelang, die Hörner des Altars zu erfassen.



Brandopfer (Ganzopfer), die übliche Bezeichnung für das hebr. olah (griech. holokauston), die ursprünglichste Form der Opfer, das die Anbetung in Dank und Fürbitte symbolisierte und täglich morgens und abends und bei den Festen, aber auch von den einzelnen allein oder in Verbindung mit anderen Opfern im altisraelitischen Kultus dargebracht wurde. Das Opfertier (ein männliches Tier von Rind- oder Kleinvieh, bei Unbemittelten als Ersatz Tauben) wurde geschlachtet, enthäutet, gereinigt und ganz oder zerlegt auf dem Brandopferungsaltar (s.d.) verbrannt. 

Entsprechend also zu hebräisch "olah", das Opfer, bedeutet das hebräische "shoah" jenes plötzliche Entsetzen, welches den Isaak erfüllte, als er begriff, daß sein Vater Abraham bereit war, ihn zum "olah" zu bringen, zum holokauston, zum lateinischen holokaustum, in deutsch zum Holokaust. Abraham war bereit, sein Liebstes der Gottheit zu opfern. 



Im Amerikanischen heißt Massenmord wholesale murder, Massenvernichtung annihilation. Beide Bezeichnungen waren einem jungen Regisseur zu gewöhnlich, der bis zu seiner Seifenoper über die Judenvernichtung 1978  mit drittklassigen Produktionen hervorgetreten war, zu gewöhnlich. Holocaust klang da schon interessanter, irgendwie gebildet und verhieß daher - bei diesem Thema - ein distinguiertes Gruseln. In Deutschland wurde die Serie mit demselben Titel in amerikanischer Schreibung ausgestrahlt. Und weil dieser Begriff hier außerhalb religionswissenschaftlicher Kreise so wenig bekannt gewesen war wie in den USA  und wegen der nasal dem Amerikanischen abgekupferten Aussprache Holocoashd hier noch distinguierter geklungen hatte als dort, setzte er sich durch. Und bekam gegen seine Grammatik auch gleich einen männlichen Artikel versetzt - es heißt ja schließlich auch der Massenmord. Seitdem blieb der Begriff so exklusiv auf die Judenvernichtung beschränkt, daß man sich bei seinem Gebrauch für andere Opfervorgänge zwar nicht um Kopf und Kragen, aber um Beruf und Ehre bringen kann. Verschiedene Versuche, den jüdischen Begriff Shoah einzuführen, wurden als für das "Tätervolk" unziemliche erstickt. Man scheint in den amerikanisch gebrauchten Begriff geradezu verliebt zu sein, so daß er auch schon mal als Etikett für den "Gründungsmythos" der Republik herhalten mußte.

Ich meine, wenn man schon auf den Begriff nicht verzichten will, dann sollte man ihn auch richtig gebrauchen, mithin auch so verstehen. Das wären dann deine Kartoffeln!

Das Holokaust, der Holocaust: Das Geschlechtswort "der, die, das", ein kleines Wörtchen für die Grammatik und ein großes für die Deutschen, die Begriffsberichtigung erscheint so heikel wie die erste Landung auf dem Mond. Das Holokaust, der Holocaust, der Holocoashd. Ein wenig wie verschnupft dies Holocoashd im Nebel klingt, wenn herbstens sie beim Alten Schloß zu Stuttgart wieder mahnen, nicht weit vom Schillerdenkmal: Verfemt / Verstoßen / Gemartert / Erschlagen / Erhängt / Vergast / Millionen  Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft / beschwören dich / Niemals wieder. So die Worte von Ernst Bloch auf einer Tafel des Mahnmals. Und auch wer meinen sollte, daß dieses Niemals wieder wirklich nötig sei, mag nun zum Schloß sich wenden, wo man den Schwur von Stauffenbergs und seiner Freunde lesen kann: Wir bekennen uns im Geist und in der Tat zu den großen Überlieferungen unseres Volkes, das durch die Verschmelzung hellenischer und christlicher Ursprünge in germanischem Wesen das abendländische Menschentum schuf. So so gut, nur daß hier etwas fehlt: Die jüdischen Ursprünge nämlich mit ihren großen Steigerungen, die Goebbels dazu animierten, besonders jene Goethezeit als jüdisch geprägt zu verhöhnen, zu welcher Schiller deutsches Wesen so beschrieben hatte: Das ist nicht des Deutschen Größe / Obzusiegen mit dem Schwert, / In das Geisterreich zu dringen / Vorurteile zu besiegen, / das ist s. (eines) Eifers wert. Wie haben Juden diesen Geist nur geliebt, der ihnen Deutschtum als Beruf verhieß, das schönste / was bei allen Völkern blüht, in einem Kranze zu vereinen. Diese Liebe ging so weit, daß manche ihren eigenen Namen gegen den von Schiller tauschten. Geschrieben hatte der die Zeilen 1802, für Goebbels waren sie das Stammeln eines Volkes von Träumern und Phantasten, als welche seiner Ansicht nach die Deutschen jener Zeit dahinlebten. Was später ein berühmter Bundespräsident in seiner Antrittsrede auch nicht sehr viel anders sah: Wir sind kein Volk verwirrter Gefühle oder romantischer Grübeleien. Und zu den Grüblern wohl auch Schelling zählte, mit dem sich Schillers Zeilen über Deutsche Größe neu so lesen ließen, daß bei den Völern hier im Land das Bild vom schönen Kranz die Güte einer durch Irrtum gesteigerten Wahrheit erworben haben würde, die also die Gefahr ihres Gegenteils schon bestanden hat. Diesen Kranz mit uns zu flechten, sind die Völker bereits da, so daß sich Goethes Rat erübrigte, die Deutschen wie die Juden, in alle Welt zu zerstreuen, weil sie nur auswärts (. . .) noch erträglich seien.

Rhinitis chronica, die Landung auf dem Mond: Der Holocoashd, der Holocaust, das Holokaust, das holokaustum, das  holokauston, das olah. Der religionsgeschichtliche Fachbegriff "das Holokaust" wurde durch den Erfolg der amerikanischen Fernsehserie "Holocaust" in Deutschland allgemein und plötzlich als "der Holocaust" bekannt. 1986 geriet das Wort ins Zentrum einer Auseinandersetzung um die Einzigartigkeit der Tat, welche sich bei richtigem Verstand von Holokaust als Opfer aus sich selbst erwiesen hätte: Wer also oder was war wem von wem geopfert worden? Und als die NATO dann auch Belgrad bombardierte, wurde das bei uns hier mit dem Verweis den Holocoashd gerechtfertigt, dessen "Wiederholung" es zu verhindern gelte. Auch wenn sich damit die Debatte um die Einzigartigkeit erledigt haben müßte - wie sollte ein Einzigartiges nur wiederholen - schwelt sie bis heute fort. Wie Glocken dröhnte das Wort vom Zivilisationsbruch durchs Land der lyotardisch verklöppelten Spitzentücher, mit denen man sich Perlen von Stirnen tupfte, akademisch ausgeschwitzte Kondensate des Grübelns über die Schwierigkeiten, eines historisch verbürgten Geschehens zu gedenken, für das man zuvor die die blackbox eines außerhistorischen Vakuums ersonnen hatte, um so die Singularität der Tat (auch) als einer undarstellbaren zu bestimmen. Posaunen kündeten von der düsteren Pracht eines nur im Land der Dichter und Denker möglichen, absolut Bösen, das in den Guten Stuben wie das bucklicht Männlein mit am Tisch zu sitzen habe. Doch schwitzte man sich nicht an der so naheliegenden Frage ab, was denn dann nur ein relatives Böses sei, sondern an dem selbsterzeugten Dilemma, wie man ein Geschehen, um seiner zu gedenken, dem besagten Vakuum entziehen, und es zugleich darin belassen könne, damit es dort auch weiterhin die Einzigartigkeit begründe.

Die Endlösung der Judenfrage (. . .) durchgehalten zu haben und dabei (. . .) anständig geblieben zu sein (. . .) ist ein niemals genanntes und niemals zu nennendes Ruhmesblatt. So Himmler 1943 in Posen. Wir haben den Kranz zerfetzt und unser Judentum dem Gott der Selbstvergötzung zum Holokaust gebracht, zum Opfer nämlich die einzigartige Verschmelzung Judentums mit Deutschtum, wie sie laut Gershom Sholem ihrer Intensität und ihrem Umfang nach keine Parallele in den Begegnungen der Juden mit anderen europäischen Völkern (hatte). Auch Schillers Name steht dafür, samt den besagten Namenswechseln. Ein Meer von Herzblut zugekippt, das schönste / was bei allen Völkern blüht erstickt. Wir müssen mit Himmler sagen, daß wir diese schwerste Aufgabe in Liebe zu unserem Volk getan und (daß) wir keinen Schaden in unserem Innern, in unserer Seele, in unserem Charakter daran genommen (haben). Auch wenn es sich verbieten mag, auch von unserem Schaden zu sprechen, so haben wir ihn doch genommen. Fünfzig Jahre nach der himmlerischen Schadensfreiheitsmeldung stellte Heiner Müller fest: Jetzt ist der Ideenhimmel verbraucht. Deutschland ist ein Markt unter vielen geworden, der weder Hintergründe noch metaphysische Reserven besitzt. Deutschland ist ortlos. Doch gilt nicht auch zugleich das Gegenteil? Ist sich (denn nicht) das Entgegengesetzte gerade das Nächste, wie es der mit seiner durch Irrtum gesteigerten Wahrheit bereits erwähnte Schelling in einem anderen Zusammenhange schreibt, der durchaus zugleich derselbe ist? Die überfüllte Leere ortlosen Lärms sei genauso auch der Ort einer anfänglichen Stille, die also die Gefahr ihres Gegenteils schon bestanden hat. Der Kranz des schönste(n) / was bei allen Völkern blüht ist als das Holokaust durch seine Schubumkehr gegangen, daher auch dieses Niemals wieder auf der Mahnmalstafel eher doch entbehrlich scheint. Es geht um die Besinnung auf das, was als das schönste / was bei allen Völkern blüht das Holokaust ist. Das sind deine Kartoffeln! Nicht frivoles Multi-Kulti, auch nicht allein Verfassungstreue ist gefragt, sondern jener Kranz des schönste(n) / was bei allen Völkern blüht als deutsche Leitkultur. Und nicht nur jüdisch müßte Schiller wieder sein, sondern auch muslimisch werden. Das Land steht ihnen offen, es den Juden gleichzutun und geistig hier so fruchtbar zu werden, wie es die Juden waren. Das Stelenfeld von Eisenman nicht nur als Hüpfburg für Giaure, Kultur nicht nur als Hip-Hop zu verstehen, das darf man wohl inzwischen auch bei ihrer im Vergleich zu jenen Juden ja so großen Überzahl erwarten. Wo bleibt ein neuer Mendelssohn als Moses deutscher Türkenfedern, ein Wiedergänger Ibn Rushds, der heute eben nicht, wie einst, den Weg zu Aristoteles,  sondern den zu Schiller neu bereitet, um sich so selbst und seinesgleichen mittels ästhetischer Kultur (. . .) als einer Reinigung der Gefühle (. . .) für (. . .) diesen herrlichen Bau (. . .) politische(r) und bürgerliche(r) Freiheit zu erschaffen? Wer spürt denn diesen Traum als zarteste Empfindung nicht? Doch diese wird nur ein desto leichterer  Raub der Schwärmerei, wenn ein heller Verstand sie nicht leitet. Der führt zur Berichtigung der Begriffe, zu denen auch das Holokaust gehört.


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